Mithrandir

Der dritte der fünf Istari.

Sindarin ›Grauer Wanderer, grauer Pilger‹. (Vgl. ME 517)

Von den Elben wurde Mithrandir ›Grauer Pilger‹ genannt, weil er nirgendwo wohnte, sich keine Reichtümer und Anhänger erwarb, sondern unablässig kreuz und quer durch die Westlande zog.

Gandalf wurde in Gondor im späten DZ immer Mithrandir genannt, da in Gondor das Sindarin unter gebildeten Leuten noch geläufig war. (Vgl. ME 519)

Er sagte von sich selbst, überliefert aus den Worten Faramirs von Gondor:
» ›Viele Namen habe ich in vielen Ländern. Mithrandir heiße ich bei den Elben, Tharkûn bei den Zwergen; Olórin war ich in meiner Jugend im Westen, der vergessen ist; im Süden Incánus, im Norden Gandalf; in den Osten gehe ich nicht.‹ « (HdR 678)

Olórin in Valinor

Er wohnte in Lórien (nicht zu verwechseln mit Lothlórien in Mittelerde!) als Ratgeber Irmos, doch oft führte ihn sein Weg in das Haus Niennas, und von ihr lernte er Mitleid und Geduld. Olórin liebte die Elben, ging unter ihnen ungesehen oder in Gestalt eines der Ihren, und sie wußten nicht, woher die schönen Gesichte kamen oder die weisen Ratschlüsse, die er ihnen ins Herz tat. Olórin war der weiseste Maiar und wurde deshalb von Manwe und Varda für die Reise nach Mittelerde ausgewählt.

> Olórin wird ausgewählt

Ankunft Gandalfs in Mittelerde

Als letzter Istari nach Curunír (Saruman) und Aiwendil kam bei den Grauen Anfurten um 1100 DZ Gandalf an. Círdan erkannte in ihm den bedeutendsten und gab ihm den dritten der drei Elbenringe, Narya den Roten.

Zwei verschiedene Überlieferungen der Übergabe des Rings:

»[Círdan sagte:] ›Denn vor Euch liegen große Mühen und Gefahren, und damit sich Eure Aufgabe nicht als zu gewaltig und mühselig erweise, nehmt diesen Ring zu Eurem Beistand und Trost. Er wurde mir nur anvertraut, um ihn versteckt zu halten, und hier an den Westküsten ist dies müßig; doch ich schätze, daß in Tagen, die bald kommen werden, er sich in edleren Händen als den meinen befinden sollte, die ihn dazu benutzen mögen, in allen Herzen den Mut zu entflammen.‹ « (ME 507)

»[Círdan sagte:] ›Nehmt diesen Ring, Herr, denn Eure Mühen werden schwer sein; aber er wird Euch unterstützen bei der schweren Aufgabe, die Ihr auf Euch genommen habt. Denn dies ist der Ring des Feuers, und mit ihm werdet Ihr vielleicht Herzen in einer Welt, die kühl wird, entzünden. Doch was mich betrifft, so hängt mein Herz am Meer, und ich will an den grauen Gestaden bleiben, bis das letzte Schiff Segel setzt. Ich werde auf Euch warten.‹ « (HdR 1100)

Vorbereitungen zum Kampf gegen Sauron

Er kam übers Meer, als die ersten Anzeichen des Schatten bemerkt wurden. Er wanderte lange umher, die Herzen jener Elben und Menschen auszuforschen, die Sauron Widerstand geleistet hatten oder von denen dieser noch zu erwarten war. Ob Gandalf auch in die südlichen Gegenden Mittelerdes wanderte, ist unklar, er sagt jedoch, er habe im Süden den Namen Incánus.

Der Kampf gegen Morgoth und seine Diener spielte sich hauptsächlich im Norden Mittelerdes ab, und dies war so, weil die Bewegung der Elben und später der Menschen, die Morgoth entkamen, sich unvermeidlich nach Westen auf das Segensreich und nach Nordwesten richteten, weil dort die Küsten Mittelerdes Aman am nächsten waren.

Die südlichen Gegenden, die an Gondor grenzten (Harad), waren vermutlich eher für den Widerstand zu gewinnen, zumal es Gebiete waren, in denen Sauron im DZ überaus tätig war, weil sie für ihn eine menschliche Quelle waren, die er ausgiebigst gegen Gondor einsetzte. In diese Gegenden könnte Gandalf in den früheren Tagen seiner Bemühungen durchaus gereist sein. Doch sein Hauptgebiet war der Nordwesten, Lindon, Eriador und die Täler des Anduin. In der Hauptsache war er mit Elrond und den nördlichen Dúnedain (Grenzwachen) verbündet.

Charakter

Freundlich und lebhaft war Gandalfs Geist (der durch den Ring Narya befeuert wurde), denn er war der Feind Saurons, und dem Feuer, das verschlingt und verwüstet, setzte er ein Feuer entgegen, das erwärmt und in Verzweiflung und Trübsal Beistand leistet; doch seine Freude und sein rascher Zorn waren mit aschgrauen Gewändern verhüllt, so daß nur jene, die ihn gut kannten, die Flamme erspähten, die darunter brannte. Er konnte fröhlich sein und freundlich gegen junge und einfältige Menschen, und doch konnte er zuweilen zu scharfen Worten greifen und die Torheit tadeln; aber er war nicht stolz und suchte weder Macht noch Lob, und deshalb wurde er weit und breit von allen geliebt, die selbst nicht stolz waren. Meistens reiste er unermüdlich zu Fuß, gestützt auf einen Stab. Manchmal vollbrachte er bei den Menschen Wunderdinge, weshalb sie ihn für einen Elben hielten; und doch vollbrachte er solche Wunder meist zur Freude und zum Vergnügen und wünschte nicht, daß jemand ihn mit Ehrfurcht ansah.

Charakteristisch für Gandalf war seine Zuneigung und Kenntnis der Halblinge, denn seine Weisheit hatte eine Vorahnung von ihrer entscheidenden Bedeutung, und zur gleichen Zeit erkannte er ihren angeborenen Wert.

Die Fahrt zum Erebor (2941 DZ)

Im Jahre 2850 DZ begab sich Gandalf nach Dol Guldur und fand dort Thráin, der kurz vor seinem Tod Gandalf die Karte und den Schlüssel der ehemaligen Zwergenfestung im Erebor für Thorin mitgab. Thráin sprach außerdem von dem letzten der Sieben Ringe.

> Gandalf findet Thráin

Frodo erzählte von einer Unterhaltung mit Gandalf, die er zusammen mit Peregrin, Mariadoc und Gimli nach der Krönung von König Elessar am 1. Mai 3019 DZ in Minas Tirith hatte. Gandalf sagte folgendes:

» ›Zu jener Zeit war ich sehr beunruhigt, denn Saruman war allen meinen Plänen im Wege. Ich wußte, daß Sauron sich aufs neue erhoben hatte und sich bald im wahren Licht zeigen würde, und ich wußte, daß er sich auf einen großen Krieg vorbereitete. Wie würde er ihn beginnen? Würde er zuerst versuchen, Mordor zurückzuerobern, oder würde er zuerst die wichtigsten Festungen seiner Feinde angreifen? Damals dachte ich, und heute bin ich sicher, daß es sein ursprünglicher Plan war, Lórien und Bruchtal anzugreifen, sobald er dazu stark genug war. Für ihn wäre dies ein viel besserer Plan gewesen und für uns ein schlimmerer.

Ihr könntet euch denken, daß Bruchtal außerhalb seiner Reichweite war, doch ich denke nicht so. Der Stand der Dinge im Norden war ein sehr schlechter. Das Königreich unter dem Berg und die starken Menschen von Thal gab es nicht mehr. Um einer Streitmacht zu widerstehen, die Sauron aussandte, um die nördlichen Pässe in den Bergen und die alten Lande von Angmar zurückzugewinnen, gab es nur die Zwerge von den Eisenbergen, und hinter ihnen lag eine Wüstenei und ein Drache. Den Drachen konnte Sauron mit furchtbarer Wirkung einsetzen. Oft sagte ich zu mir selbst: ›Ich muß irgendwelche Mittel finden, um mit Smaug fertig zu werden. Doch ein unmittelbarer Schlag gegen Dol Guldur ist noch viel notwendiger. Wir müssen Saurons Pläne stören. Ich muß den Rat dazu bringen, dies einzusehen.‹

Dies waren meine trüben Gedanken, als ich die Straße entlangtrottete. Ich war müde, und ich ging für eine kurze Zeit ins Auenland, nachdem ich mehr als zwanzig Jahre nicht mehr dort gewesen war. [...] Gerade als ich mich Bree näherte [15. März 1941 AZ], wurde ich von Thorin Eichenschild eingeholt [...]. Zu meiner Überraschung sprach er mich an und in diesem Augenblick begann das Blatt sich zu wenden.

Auch er war beunruhigt und so besorgt, daß er mich sogar um meinen Rat bat. So ging ich mit ihm zu seinen Hallen in den Blauen Bergen, und ich hörte seiner langen Geschichte zu. Rasch verstand ich, daß sein Herz brannte, wenn er über seine Kränkungen nachsann und über den Verlust des Schatzes seiner Vorväter, zudem noch unter der Bürde der Pflicht, an Smaug Rache zu nehmen, die er übernommen hatte. Zwerge nehmen solche Pflichten sehr ernst.

> Gandalfs Treffen mit Thorin

Ich versprach, ihm zu helfen, wenn ich könnte. Ich war ebenso begierig wie er, das Ende Smaugs zu erleben, aber Thorin war gänzlich von Schlachtplänen erfüllt, als sei er wirklich König Thorin II., und darin konnte ich keine Hoffnung erblicken. Also verließ ich ihn, ging fort ins Auenland und schnappte Fetzen von Nachrichten auf. Es war ein merkwürdiges Geschäft. Ich tat nicht mehr, als mich vom Zufall leiten zu lassen, und machte unterwegs viele Fehler.

Irgendwie hatte Bilbo mich vor langer Zeit für sich eingenommen, als er ein Kind und ein junger Hobbit war: Er war noch nicht ganz großjährig gewesen, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seitdem ist er mir immer im Gedächtnis geblieben, seine Ungeduld, seine strahlenden Augen, die Vorliebe für Geschichten und seine Neugier auf die weite Welt außerhalb des Auenlandes. [...] Man sagte, er werde schon ein wenig kauzig und wandere tagelang für sich allein umher. Man sah ihn, wie er sich mit Fremden unterhielt, sogar mit Zwergen.

›Sogar mit Zwergen!‹ Plötzlich fügten sich diese drei Dinge in meinem Kopf zusammen: der große Drache mit seiner Lüsternheit; die derben, schwergestiefelten Zwerge mit ihrem alten brennenden Groll; und der behende leichtfüßige Hobbit, sich verzehrend nach dem Anblick der weiten Welt. Ich lachte über mich selbst; doch ich machte mich sogleich auf, um einen Blick auf Bilbo zu werfen und zu sehen, was zwanzig Jahre aus ihm gemacht hatten und ob er der vielversprechende Mann war, zu dem das Gerede ihn machte. Aber er war nicht zu Hause. In Hobbingen schüttelte man die Köpfe, als ich nach ihm fragte. ›Wieder mal weg‹, sagte ein Hobbit. Ich glaube, es war Holman Grünhand, der Gärtner. ›Wieder mal unterwegs. Er wird eines Tages noch unter die Räder kommen, wenn er nicht aufpaßt. Nun, ich fragte ihn, wohin er gehe und wann er zurückkomme, und er sagte: ›Ich weiß es nicht‹; und dann sah er mich eigenartig an. ›Es hängt davon ab, ob ich jemanden treffe, Holman‹, sagte er. ›Morgen ist das Neujahr der Elben [6. April des Auenland-Kalenders]! Ein Jammer, und so ein freundlicher Kauz. Von den Hügelländern bis zum Fluß würdet ihr keinen besseren finden.‹

Besser und besser! dachte ich. Ich denke, ich werde es wagen. Die Zeit wurde knapp. Spätestens im August mußte ich beim Weißen Rat sein, oder Saruman hätte freie Bahn und nichts wäre getan. Und ganz unabhängig von den gewichtigen Angelegenheiten konnte sich für die Fahrt als verhängnisvoll erweisen, daß die Macht in Dol Guldur keinen Angriff auf den Erebor ungehindert geschehen lassen würde, außer sie hatte etwas anderes, das sie ablenkte.

So brach ich auf und ritt in Eile zu Thorin zurück, um die schwierige Aufgabe in Angriff zu nehmen, ihn davon zu überzeugen, seine hochfliegenden Pläne beiseite zu legen und heimlich abzureisen – und Bilbo mitzunehmen. Ohne ihn vorher zu sehen. Es war ein Fehler und erwies sich beinahe als verhängnisvoll. Denn Bilbo hatte sich natürlich verändert. Zumindest war er ziemlich gefräßig und fett geworden, und seine alten Sehnsüchte waren zu einer Art Traum geschrumpft, den er nur für sich selbst hegte. Nichts hätte erschreckender sein können als die Entdeckung, daß wirklich die Gefahr bestand, er könnte Wahrheit werden! Er war völlig verwirrt und machte sich ganz und gar lächerlich. Thorin wäre wutentbrannt fortgegangen, wenn nicht ein anderer merkwürdiger Zufall hinzugekommen wäre, den ich sogleich noch erwähnen werde.

Doch ihr wißt, wie die Dinge gingen, jedenfalls wie Bilbo sie sah. Die Geschichte würde sich etwas anders anhören, wenn ich sie aufgeschrieben hätte. Zum einen begriff er überhaupt nicht, für wie einfällig die Zwerge ihn hielten, geschweige denn, wie wütend sie auf mich waren. Thorin war weitaus entrüsteter und geringschätziger als Bilbo erkannte. Er war wirklich von Anfang an voll Verachtung und dachte damals, ich hätte die ganze Sache bloß geplant, um ihn zum Gespött zu machen. Es waren nur die Karte und der Schlüssel, die die Situation retteten.

> Bilbos Große Fahrt mit Thorin und Gandalf

Doch ich hatte jahrelang nicht mehr an sie gedacht. Erst als ich ins Auenland kam und Zeit hatte, über Thorins Erzählung nachzudenken, erinnerte ich mich plötzlich des seltsamen Zufalls, der sie mir in die Hände gespielt hatte. Ich erinnerte mich an eine gefährliche Reise [...], als ich verkleidet nach Dol Guldur gekommen war [...]. Thorin wußte natürlich nicht, was aus seinem Vater geworden war, noch hatte er jemals den letzten der Sieben Ringe erwähnt. Ich besaß den Plan und den Schlüssel zum geheimen Eingang in den Erebor, durch den nach Thorins Erzählung Thrór und Thráin entkommen waren. Und ich hatte beides aufbewahrt, wenn auch ohne eigene Pläne, sie zu verwenden, bis zu jenem Augenblick, in dem sie sich als höchst nützlich erweisen würden.

Glücklicherweise machte ich keinen Fehler, als ich mich ihrer bediente. Ich behielt sie als Trumpf im Ärmel, wie ihr im Auenland sagt, bis die Dinge gänzlich hoffnungslos aussahen. Sobald Thorin sie erblickte, war er sofort bereit, auf meinen Plan einzugehen, wenigstens soweit es die geheime Unternehmung betraf. Was immer er über Bilbo dachte, er selbst wäre aufgebrochen. Das Vorhandensein einer geheimen Tür, die nur von Zwergen wahrzunehmen war, schien es zumindest möglich zu machen, etwas über das Treiben des Drachen in Erfahrung zu bringen, vielleicht sogar etwas Gold zurückzubekommen oder einige Erbstücke, um sein Verlangen zu stillen. Doch mir war das nicht genug. In meinem Inneren wußte ich, daß Bilbo ihn begleiten mußte, oder die ganze Fahrt würde ein Fehlschlag sein – oder, wie ich jetzt sagen würde, die weit wichtigeren Ereignisse in ihrem Gefolge würden nicht eintreten. [...]

Thorin war verachtungsvoll und argwöhnisch. [...] ›Dieses närrische Betragen Eures Hobbits drängt mir die Frage auf, ob es Voraussicht ist, die Euch verliehen ist, oder ob Ihr nicht eher verrückt als vorausschauend seid. Zu viele Sorgen könnten Euren Geist verwirrt haben. [... Daraufhin sagte Gandalf:] ›Ich werde mitkommen und bei Euch bleiben, so lange ich kann: zumindest so lange, bis Ihr seinen Wert entdeckt habt.‹ Am Ende ging alles gut, doch damals war ich besorgt, denn mir brannte die dringende Angelegenheit mit dem Weißen Rat auf den Händen.

So geschah es denn, daß die Fahrt zum Erebor begann. Ich nehme nicht an, daß Thorin beim Aufbruch die geringste Hoffnung hatte, Smaug zu vernichten. Eine solche Hoffnung gab es nicht. Dennoch geschah es. Aber, ach! Thorin lebt nicht mehr, um sich an seinem Sieg und an seinem Schatz zu erfreuen. Stolz und Habgier überwältigten ihn trotz meiner Warnung. [...] Er war ein bedeutsamer Zwerg aus einem großen Haus, bei allen seinen Fehlern; und wenn er auch am Ende der Reise fiel, ist es doch zum größten Teil ihm zu verdanken, daß das Königreich unter dem Berg wiederhergestellt wurde, wie ich es gewünscht hatte.« (ME 422 ff.)

Autor: CG